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Zeit: “Das kann nicht mehr lange so weitergehen”

Die Zeit, January 17, 2018, by Felix Rohrbeck.

“DIE ZEIT: Herr Schularick, Sie vergleichen die Entwicklung der weltweiten Immobilienpreise mit einem Hockeyschläger. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Moritz Schularick: Zusammen mit Kollegen habe ich mir die inflationsbereinigten Immobilienpreise in den westlichen Industrieländern über einen sehr langen Zeitraum angesehen. Für die ersten hundert Jahre modernen Wirtschaftswachstums, so von 1870 bis 1970, sind sie in den meisten Ländern mehr oder weniger konstant geblieben. Erst seit den 1970er Jahren ziehen sie stark an. Überträgt man diese Daten in ein Diagramm, ergeben sie die Form eines Hockeyschlägers: erst eine flache Linie, das entspricht sozusagen der Kelle des Schlägers, und dann plötzlich ein steiler Anstieg. Beim Hockeyschläger wäre das der Griff.

ZEIT: Da fragt man sich natürlich: Was ist der Grund für den plötzlichen Anstieg der Preise?

Schularick: Das ist die Königsfrage. Ein entscheidender Grund aber lässt sich empirisch doch ausmachen. In den 1970er Jahren wurden die Finanzmärkte in vielen Ländern stark liberalisiert, auch in Deutschland. Bis dahin mussten Sie als Käufer einer Immobilie oft die Hälfte des Preises als Eigenkapital aufbringen, die andere Hälfte konnten Sie sich leihen. Heute dagegen ist es ganz normal, dass Sie eine Wohnung zu 80 oder sogar 90 Prozent auf Pump kaufen. Den überwiegenden Teil finanzieren also die Banken. Dadurch können sich viele Menschen ein Eigenheim leisten, für die das früher schlicht nicht möglich war.

[…]

ZEIT: Gibt es auch andere Gründe für die hohen Immobilienpreise? Die Branche klagt etwa über gestiegene Baukosten.

Schularick: Der Immobilienpreis setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: den Baukosten eines Hauses und dem Wert des Landes, auf dem es steht. Unsere Untersuchungen zeigen eindeutig, dass der steile Anstieg zu rund 80 Prozent auf die gestiegenen Landpreise zurückzuführen ist. Die Baukosten spielen also nur eine untergeordnete Rolle, da kann sich die Branche beklagen, wie sie will. Der größte Kostenpunkt beim Bauen sind übrigens die Löhne der Bauarbeiter. Und die haben sich, wie wir alle aus der Diskussion über Ungleichheit wissen, nicht gerade jenen der Spitzenmanager angenähert.”

[…]

ZEIT: Sie glauben, es gibt eine Immobilienblase, die bald platzen könnte?

Schularick: Ganz akut schlagen die Frühwarnindikatoren noch nicht aus. Aber wenn ich mich zurücklehne und mir die Grafiken anschaue, komme ich zum Ergebnis: Das kann nicht mehr lange so weitergehen. Das wäre aus wirtschaftshistorischer Sicht schon sehr ungewöhnlich. Die Kaufpreise von Immobilien liegen mittlerweile zum Teil beim Fünfzigfachen der jährlichen Mieteinnahmen. Das kleine Einmaleins der Finanzgeschichte sagt mir, dass die künftigen Kapitalgewinne in einer solchen Situation aller Wahrscheinlichkeit nach sehr gering ausfallen werden. Die fetten Jahre am deutschen Immobilienmarkt sind vorbei. Auch wenn ich mir die Weltwirtschaft angucke, spricht viel dafür, dass die nächste Rezession nicht mehr so weit weg ist. Nicht nur die zum Teil irrational hohen Bewertungen am Aktien- und Immobilienmarkt deuten darauf hin. Auch die Tendenz, dass sich kurzfristige und langfristige Zinsen aufeinander zubewegen. Und natürlich die Länge des Konjunkturzyklus. Zehn Jahre nach der letzten Rezession müsste eigentlich bald mal wieder eine kommen.

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