Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. September 2019, Von Franziska Hünnekes, Moritz Schularick und Christoph Trebesch.
Deutschland legt seit Jahrzehnten mehr Geld im Ausland an als alle anderen Länder. Aber wie steht es um die Erträge? Als Investor spielen die Deutschen international nur in der Kreisklasse. Höchste Zeit, daraus Lehren zu ziehen.
Düsseldorf“, so antwortet in Michael Lewis’ Besteller „The Big Short“ ein Investmentbanker, auf die Frage, wer jetzt denn noch diese „Schrottpapiere“ kaufe. Das war im Jahr 2007, kurz vor dem Zusammenbruch des amerikanischen Hypothekenmarkts. Die Immobilienpreise in den Vereinigten Staaten waren schon seit 2006 rückläufig, und professionelle Investoren kehrten dem Markt den Rücken. Doch „Düsseldorf“ kaufte weiter – und verlor dann in der Krise entsprechend viel. Diese Schilderung bedient das in der angelsächsisch dominierten Finanzwelt beliebte Klischee vom „Stupid German Money“,dem „dummen deutschen Geld“. Es war in der Tat die Düsseldorfer Industrie Kreditbank, IKB, die als eine der ersten Banken Milliarden abschreiben und vom Staat gerettet werden musste. Auch die jüngste Übernahme des Monsanto-Konzerns durch Bayer wurde zum finanziellen Fiasko, die Verantwortlichen müssen erhebliche Kritik einstecken. Diese Anekdoten werfen ein Schlaglicht auf Deutschlands umfangreiche Kapitalexporte. Obwohl diese finanziell von enormer Bedeutung sind, spielen sie in der wirtschaftspolitischen Diskussion nur selten eine Rolle. Deutschland diskutiert gern und ausführlich über seine Schulden, aber nicht über sein Auslandsvermögen. [……]
Deutschland ist Weltmeister im Kapitalexport
Trotz der Milliardenverluste im Jahr 2008 ist Deutschland der weltweit größte Netto-Exporteur von Ersparnissen. Wir sind (Kapital-)Exportweltmeister. Ökonomisch sind diese Kapitalexporte das Spiegelbild der hohen Leistungsbilanzüberschüsse, die das Land Jahr für Jahr verzeichnet. Wir verkaufen mehr Güter und Dienstleistungen ins Ausland als wir von dort beziehen. Im Gegenzug gibt uns der Rest der Welt Finanz- und andere Vermögenstitel. Gut 350 Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangenen Jahr ins Ausland überwiesen. Das entspricht etwa dem Volumen des gesamten Bundeshaushalts eines Jahres (2018: 337 Milliarden Euro). Allein in den vergangenen zehn Jahren haben wir so unser Auslandsvermögen um 2900 Milliarden Euro erhöht. Dasist deutlich mehr als die gesamte deutsche Staatsverschuldung oder rund 85 Prozent dessen, was in Deutschland in einem Jahr erwirtschaftet wird. Die Summen, um die es geht, sind riesig. [……]
Auch aus wirtschaftshistorischer Perspektive sind die deutschen Überschüsse eine Anomalie. Man muss bis ins 19. Jahrhundert – in die Blütezeit des englischen Empires – gehen, um eine Wirtschaftsnation von der Größe Deutschlands zu finden, die über lange Zeit in ähnlichem Umfang Ressourcen im Rest der Welt anlegt. Und selbst dieser Vergleich hinkt. Denn britische Investoren legten annähernd die Hälfte ihres Kapitals im Empire an. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es kein G-7-Land, das über so eine lange Zeit so viel Kapital in Prozent der Wirtschaftsleistung exportiert hat. Selbst die Sparer- und Exportnation Japan kommt nicht an die deutschen Zahlen heran. Aber ist das Geld im Ausland gut investiert? [……]
Read the full article here