Comments are off for this post

FAZ: Jeder Kreditboom endet in einer Finanzkrise? Von wegen!

Frankfurter Allgemeine Zeitung, January 04, 2018, by Gerald Braunberger.

“Seit der Finanzkrise schauen viele Beobachter mit Argusaugen auf das Kreditwachstum auf der Welt. Denn ein starkes Wachstum der Kredite gilt seit der vor rund zehn Jahren ausgebrochenen Krise als ein Vorbote für eine anschließende Finanzkrise. Und das ist kein Einzelfall: Historische Untersuchungen zeigen, dass den meisten schweren Finanzkrisen ein starkes Kreditwachstum vorausgegangen war, das dann zur Krise führte, wenn die Kredite platzten und die Kreditgeber, nicht zuletzt Banken, darüber in Schwierigkeiten gerieten.

Die Entwicklung seit der Krise zeigt in den Industrienationen, anders als in China, kein sehr kräftiges Kreditwachstum, obgleich die Zinsen sehr niedrig sind. Das widerspricht der Sorge, die nächste Finanzkrise stehe vor der Tür. Ein Ökonomenteam um den bekannten Bonner Professor Moritz Schularick präsentiert nun auf der Jahrestagung der amerikanischen Ökonomenvereinigung eine weitere Botschaft, die nicht ins Kalkül notorischer Schwarzmaler passen dürfte.

Sie zeigen: Auch wenn den meisten Finanzkrisen ein starkes Wachstum der Kredite vorausgegangen ist, so ist der Umkehrschluss, dass ein starkes Kreditwachstum üblicherweise zu einer Krise führt, nicht zulässig. Im Gegenteil zeigt eine internationale Analyse der Finanzmärkte aus den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten, dass in drei von vier Fällen ein kräftiges Wachstum der Kredite gut war, weil es zu Wirtschaftswachstum und Wohlstand beitrug, ohne dass sich eine Krise anschloss. Nur in etwa jedem vierten Fall folgte dem Kreditboom eine Krise.”

“Schularick & Co. unterscheiden daher zwischen „guten“ und „schlechten“ Kreditbooms. Die guten Kreditbooms tragen zum Wirtschaftswachstum bei, weil sie nicht zuletzt die Finanzierung sinnvoller Investitionen erlauben. An sie schließt sich keine Krise an. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es widersinnig, einen solchen „guten“ Kreditboom bremsen zu wollen – sei es durch eine besonders straffe Geldpolitik, sei es durch schärfere Regulierungen der Banken, die Kredite vergeben.”

“Doch vor die Entscheidung über eine Behandlung gehört eine ordentliche Diagnose. Und das führt zur Frage: Lassen sich „gute“ und „schlechte“ Kreditbooms überhaupt frühzeitig voneinander unterscheiden? Schularick und seine Mitstreiter sagen: Ja. Und diese Erkenntnis könnte einer angemessenen rechtzeitigen Bekämpfung von Krisen neue Wege zeigen.

Drei Kriterien sind es, die für viele „schlechte“ Booms typisch sind, aber bei „guten“ Kreditbooms kaum beobachtbar sind. Erstens finden „schlechte“ Kreditbooms ihren Ausdruck meist am Immobilienmarkt und nicht in der Industrie. Typisch sind Baubooms mit steigenden Immobilienpreisen. Der Wertzuwachs der Immobilien erleichtert dann die Aufnahme weiterer Kredite, da die bestehenden Immobilien als Kreditsicherheit verwendet werden können. Das Erbe einer solchen Krise besteht in schwer beschädigten Bankbilanzen und zahlreichen ungenutzten, zum Teil nicht einmal fertig gebauten Immobilien, wie sie vor knapp zehn Jahren unter anderem in den Vereinigten Staaten, in Irland und in Spanien beobachtet werden konnten.”

Read the full article here.